I
Grabarchitektur und Grabmalerei in Apulien
Daunien: Monumentale Gräber z.T. mit Malerei-, Skulpturen- und Reliefschmuck aus dem späten 4. und dem 3. Jh. v.Chr, konzentrieren sich vor allem auf die drei daunischen Zentren Arpi, Canosa und Salapia, wobei einige der canosiner Hypogäen mit bis zu 9 Kammern zu den größten Grabkomplexen Unteritaliens überhaupt zählen. Besonders dokumentiert in der Ausstellung wird die Tomba della Medusa von Arpi aus dem frühen 3 . Jh., eine Gtabanlage mit großem Dromos, Fassade mit Gorgoneiongiebel und Figuralkapitellen, Vestibulum mit figürlichen Wandmalereien sowie drei nebeneihander angeordneten Kammern mit Tonnengewölbe, Zonenmalerei und Rankenfries sowie Fußbodenmosaik in der zentralen Hauptkammer und Grabklinen mit Sarkophagfunktion ih den Nebenkammern. Der starke makedonische Einfluß in Konzeption und Ausschmückung dieses daunischen Elitegrabes hatte sicher auch ideologische Gründe. Unter den figürlichen Themen der daunischen Grabmalerei finden wir vor allem Reiterdarstellungen sowie "deductio ad inferos" - Szenen.
Peuketien: Hinsichtlich Grabarchitektur und Grabmalerei bilden Ruvo, Monte Sannace und Gravina die aufschluBreichsten Zentren. Die berühmte Tomba delle Danzatrici aus Ruvo mit ihrem farbenprächtigen Totentanz datiert wohl noch in das späte 5. Jh., während die Halbkammergräber auf der Akropolis von Monte Sannace und auf dem Hochplateau von Botromagno bei Gravina in das 4. und frühe 3 . Jh. v.Chr. datieren und vorwiegend mit architekturimitierenden oder ornamentalen Malereien ausgeschmäckt sind.
Messapien: Auch in Messapien datieren die wichtigsten Kammergräber und Grabmalereien erst in frühhellenistische Zeit, obwohl es vereinzelte Vorläufer schon aus der Spätarchaik wie in Ugento gibt. Egnazia weist die meisten Malereien auf, die aber im allgemeinen keine figürlichen Themen, sondern architekturimitierende und vegetabile Motive sowie Waffen wiedergeben. Architektonisch besonders interessant sind das Ipogeo Palmieri von Lecce und die Tomba delle Cariatidi von Vaste aus dem ausgehenden 4. Jh., die zudem reich mit Reliefs (Ranken- und Kampffries im Dromos des Ipogeo Palmieri) und Skulpturen (Karyatiden und Fries mit Eros-Löwengespann an der Fassade der Tomba delle Cariatidi) verziert sind. Rudiae südlich von Lecce zeichnet sich durch eine starke Konzentration von Kammergräbern aus. Andere Nekropolen mit einfacheren Grabtypen wie Fossa- und Cassonegräbern lassen sich an verschiedenen Orten wie in Manduria und Alezio noch sehr gut in situ sehen.
Tarent: Die berühmte griechische Kolonialmetropole Tarent weist mit Abstand die meisten Kammergräber - nämlich mehr als 170 - in Unteritalien und die meisten Grabmalereien in Apulien auf. Abgesehen von einer kleinen Gruppe von sog. Athletengräbern aus spätarchaischer Zeit datieren die meisten Kammergräber in das 3. bis 1. Jh. v.Chr. und zeichnen sich häufig durch schön ausgearbeitete und bemalte Steinklinen aus. Bekrönt wurden sie oft von Grabmälern in Form eines Naiskos, der mit Skulpturen und Reliefs verziert sein konnte. In der tarentiner Grabmalerei herrschen ikonografisch vegetabile Darstellungen wie vor allem Girlanden vor.
II
Grabarchitektur und Grabmalerei in Campanien und Lukanien
Campanien: Grabmalereien, die überwiegend in die zweite Häifte des 4. Jhs. und in das frühe 3 . v.Chr. datieren, konzentrieren sich vor allem auf Cumae, Capua, Nola und Neapel. Ikonografisch herrschen in den ersten drei Zentren figärliche Themen wie vor allem Leichenspiele zu Ehren des Verstorbenen vor, während eine Gruppe von hlakedonisch beeinflußten, frühhellenistischen unterirdischen Kammergrabanlagen wie vor allem das Ipogeo Cristallini in der Altstadt von Neapel mit "aufgehängten" Ranken und kostbaren Metallgefaäßen malerisch geschmückt ist und zudem zahlreiche Inschriften aufweist. Diese neapolitanischen Hypogäen zeichneten sich außerdem durch eine ausgeprägte Fassadenarchitektur aus. In Campanien und im sich östlich anschließenden Hirpinien gibt es ferner zahlreiche gebaute Kammergräber mit dem aus Makedonien übernommenen charakteristischen Tonnengewölbe, wie ein neben dem römischen Amphitheater von S. Maria Capua Vetere wiederaufgebautes Beispiel besonders gut demonstriert.
Lukanien: Was die Grabmalerei anbelangt, so bilden Paestum - in seiner lukanischen Phase vom ausgehenden 5 . bis zum beginnenden 3 . Jh. - und seine Chora das unbestrittene Hauptzentrum Lukaniens mit ihrem großen Repertorium an figürlichen Darstellungen. Im allgemeinen den jeweiligen lokalen Eliten vorbehaltene Kammergräber finden sich aber auch in diversen indigenen Zentren Lukaniens wie z.B. in Roccagloriosa und Melfi sowie im kolonialgriechischen Metapont an der jonischen Ostküste, wo ein Kammergrab der Crucinia-Nekropole eine Kassettendecke aufweist.
III
Paestaner Grabmalerei
Die bemalten Steinplatten der Kammer- und vor allem Cassonegräber aus verschiedenen paestaner Nekropolen - meist aus Andriuolo befinden sich heute alle im Museo Archeologico von Paestum, wobei die meisten im Magazin autbewahrt werden. Sie enthielten meist noch intakte Beigaben vor allem keramischer Art. Publiziert sind sie überwiegend in dem corpusartigen Band von A. Pontrandolfo A. Rouveret, Le tombe dipinte di Paestum (Modena 1992), abgekürzt im folgenden als TDP. In der Ausstellung werden zahlreiche farbige Reproduktionen aus verschiedenen Grabern meist in Originalgröße präsentiert sowie ein Kammergrab komplett fotografisch rekonstruiert.
Tomba 123 (“Taranto”) - Spinazzo: Kammergrab; Maße: L 3,11 m; Br 2,76 m; H 2,56 m; Anfang 3. Jh. v.Chr. Das Grab zählt zu den jüngsten, auf die Spinazzo-Nekropole konzentrierten ausgernalten Gräbem mit großfigurigen (Megalographia) Darstellungen von beachtlicher Qualität aus frünhellenistischer Zeit, deren ikonografisches Programm Ausdruck einer neuen paestaner Aristokratie ist. Dargestellt sind auf , der Rückwand eine “dextraum iunctio” zwischen zwei Männern und auf den anderen Wänden Prozessionsartige Aufzäge mit Männern, Frauen, Pferden und Malteserhündchen. A. Pontrandolfo, DArch N.S. 1, 1983, Nr. 2, 114 ff.
Tomba 47 - Andriuolo: Cassonegrab mit weiblicher Bestattung; Maße: L 1,93 m; Br 0,95 m; H 1,43 m; gegen 350 v.Chr. Dargestellt sind auf den Langseiten rein vegetabile Motive, d,h. Zweige mit Blättern und Blüten von Granatäpfeln. Die westliche Schmalseite zeigt eine Prothesisszene mit der aufgebahrten Verstorbenen unter einem Baldachin, die östliche Schmalseite dagegen eine Leichenprozession mit Klagefrau, Opfergaben und Opferstier sowie eine "deductio ad inferos" im Giebel, bei der die Verstorbene von einem geflügelten Dämon im Boot abgeholt wird. TDP 122 ff. 326 ff.
Tomba 86 - Andriuolo: Großes Cassone- bzw. Halbkammergrab mit männlicher Bestattung; Maße: L 1,95 m; Br 1,405 m; H 1,90 m; gegen 340/330 v. Chr. Dargestellt sind auf den Langseiten jeweils ein Pferdegespann mit einer geflügelten Nike, auf der östlichen Schmalseite eine Landschaft mit Maultiergespann - wohl als symbolische Reise ins Jenseits zu verstehen - und auf der westlichen Schmalseite der "ritorno del guerriero", bei dem der siegreiche berittene und mit Trophäen gewappnete Krieger von einer Frau mit einem Kranz willkommen geheißen wird. TDP 160 ff. 339 f.
Tomba 58 - Andriuolo: Cassonegrab mit weiblicher Bestattung; Maße: L 2,27 m; Br 0,98 m; H 1,46 m; gegen 340 v.Chr. Dargestellt sind auf der südlichen Langseite Tierkämpfe mit Raub- und Fabeltieren, auf der nördlichen Langseite ein bewaffnetes Duell in Präsenz einer Sphinx sowie Klagefrauen, auf der östlichen Schmalseite eine Prothesis mit weiblichen Attributen und auf der westlichen Schmalseite ein reich gerüsteter berittener Krieger vor einem großen geschmückten Kelchkrater. TDP 149 ff. 336 f.
Tomba 12 - Andriuolo: Cassonegrab mit männlicher Bestattung; Maße: L 2,04 m; Br 0,98 m; H 1,18 m; 2. Viertel 4. Jh. v.Chr. Gezeigt wird die östliche Schmalseite mit dem "ritorno del guerriero", bei dem der berittene Krieger in lukanischer Tracht mit Trophäen von einer Frau mit Oinochoe und Patera willkommen geheißen wird. TDP 98 ff. 314 ff.
Tomba 53 - Andriuolo: Cassonegrab mit weiblicher Bestattung; Maße: L 2,09 m; Br 0,95 m; H 1,30 m; gegen 350/40 v.Chr. Gezeigt wird ein Ausschnitt der südlichen Langseite mit einem Bigarennen. TDP 137 ff. 331 ff.
Tomba X - Laghetto: Cassonegrab mit weiblicher Bestattung; Maße: L 2,20 m; Br 0,99 m; H 1,46 m; um die Mitte des 4. Jhs. v.Chr. Gezeigt werden die nördliche Langseite mit zwei Bigagespannen beim Rennen und einer jonischen Säule in der Mitte sowie ein Detail der östlichen Schmalseite mit Szene iin weiblichen Oikos. TDP 210 ff. 356 f.
Tomba 4 - Andriuolo 1971: Cassonegrab mit männlicher Bestattung; Maße: L 2,02 m; Br 0,99 m; H 1,37 m; letztes Viertel 4. Jh. v.Chr. Gezeigt wird ein Ausschnitt der östlichen Schmalseite mit einem Duell zweier reich gerüsteter Krieger. TDP 196 ff. 350 f.
Tomba 7 - Gaudo 1972: Cassonegrab: Maße: L 1,90 m; Br 0,88 m; H 1,37 m; 2. Viertel 4. Jh. v.Chrr. Gezeigt wird ein Ausschnitt der nördlichen Langseite mit einem Duell zweier bärtiger, weitgehend nackter Krieger mit Rüstung. TDP 251 ff. 377.
Tomba 24 - Andriuolo 1971: Cassonegrab mit weiblicher Bestattung; Maße: L 1,36 m; Br 0,74 m; H 1,10 m; gegen 370/60 v.Chr. Gezeigt wird ein Ausschnitt mit einem Boxkampf zwischen einem schwarz- und einem weißhäutigen Boxer, einem bärtigen Flötenspieler in langem Gewand und einer jonischen Säule. TDP 188 ff. 348 f.
Tomba 4 - Vannullo: Cassonegrab mit männlicher Bestattung; Maße: L 1,96 m; Br 0,92 m; H 0,94 m; Mitte 4. Jh. v.Chr. Gezeigt wird ein Ausschnitt der nördlichen Langseite mit einem bärtigen Flötenspieler in langem Gewand sowie zwei nackten Boxern. TDP 284 ff. 396 f.
Tomba 11 - Contrada Vecchia di Agropoli 1967: Kammergrab mit mehrfacher männlicher und weiblicher Bestattung; Maße: L 2,83 m; Br 2,13 m; H 2,20 m; gegen 360/50 v.Chr. Gezeigt wird ein Ausschnitt der nördlichen Schmalseite mit einer "ritorno del guerriero"-Szene. TDP 246 ff. 372 ff.
Tomba 2 - Sequestro Finanza: Cassonegrab mit wohl weiblicher Bestattung; Maße: L 2,06 m; Br 0,96 m; H 1,29 m; 3. Viertel 4. Jh. v.Chr. Gezeigt wird eine Langseite mit Prothesis einer großformatigen aufgebahrten Frau, umgeben von einem Flötenspieler und zwei Frauen. TDP 299 ff. 402.