ETRUSKISCHE GRABMALEREIKopien und Zeichnungen im Deutschen Archäologischen Institut RomHorst Blanck Für die Archäologie in Italien stand das Jahr 1985 im Zeichen der Etrusker; vom internationalen Istituto di Studi Etruschi ed Italici wurde es unter der Präsidentschaft Massimo Pallottinos zum “Anno degli Etruschi” proklamiert. Dem Detitschen Archäologischen Institut in Rom fiel damals die Wahl nicht schwer, in welcher Form es sich beteiligen würde. Es wollte der Fachwelt und der interessierten öffentlichkeit einen Schatz zugänglich machen, der seit ü einem Jahrhundert kaum beachtet in seinem Archiv lag: eine Dokumentation etruskischer Grabmalerei aus einer Zeit, als die Fotografie noch nicht erfunden war oder noch nicht als Arbeitsinstrument in der Archäologie genutzt wurde. Das Deutsche Archäologische Institut wurde 1829 auf dem römischen Kapitol als eine zunächst private, übernationale Einrichtung gegründet. Die Initiatoren waren der deutsche Philologe und Archäologe Eduard Gerhard sowie zwei Diplomaten, der preußische und der hannoverische Geschäftsträger beim Heiligen Stuhl. Carl Josias Bunsen und August Kesther. Wie sie schon im Namen “Instituto di Corrispondenza Archeologica” zum Ausdruck brachten, sollten hierher aus der gesamten klassischen Welt, vor allem aber aus Italien, Mitteilungen über neugefundene archäologische Denkmäler gelangen, um sie dann in angemessener Form zu veröffentlichen. Für die Reproduktion der Monumente in Form von Kupferstichen oder Lithographien, wie es damals üblich war, hatte man die Serie der “Monumenti inediti” mit jährlichen Lieferungen geschaffen; kurze Mitteilungen und Berichte erschienen im “Bullettino”, umfangreichere Abhandlungen in den “Annali dell'Instituto di Corrispondenza Archeologica”. Die Gründung des römischen Instituts fiel zeitlich zusammen mit einer Periode aufregender archäologischer Entdeckungen: In der Nekropole(Toten-stadt) der einst mächtigen Etruskerstadt Tarquinia fand man im Laufe weniger Jahre ein Dutzend Kanrmergräber mit Wandmalereien. Das Interesse daran war bei Altertumsforschern wie bei Kunstliebhabern gleich groß, handelte es sich doch um die ersten bedeutenden Zeugnisse monumentaler antiker Malerei aus archaischer und klassischer Zeit. Zwei dieser Gräber waren von August Kestner zusammen mit seinem Freund Otto Magnus vori Stackelberg im Jahr 1827 entdeckt worden: die Tomba delle Bighe, oder Tomba Stackelberg und die Tomba del Barone. Ihre Zeichnungen dieser beiden Graber sind leider verlorengegangen, und auch eine von Stackelberg damals vorbereitete Publikation aller bekannten Grabmalereien Tarquinias kam über einen Probedruck der Tafeln nicht hinaus. Als 1831 in Tarquinia die Tomba Querciola gefunden worden war, beauftragte Eduard Gerhard als Sekretär des römischen Instituts den Maler Carlo Ruspi, die Malereien in Form verkleinerter Aquarelle zu kopieren. Während seiner Arbeit erhielt Ruspi von der päpstlichen AntikenverwaltungCorneto, wie Tarquinia damals hieß, war ja Teil des Kirchenstaates - die Erlaubnis, auch die Gemälde in der ein Jahr zuvor aufgedeckten Tomba del Triclinio zu zeichnen. Die Aquarelle dieser beiden Gräber wurden dann als Kupferstiche in den “Monumenti inediti” publiziert. Sie standen am Beginn einer langen Folge, die bis zum Ende des letzten Jahrhunderts reichen sollte. Auf eigene Initiative fertigte Ruspi damals von zwei Figuren der Tomba del Triclinio originalgroße Kopien an, indem er die Malerei auf transparentes Papier durchpauste. In seinem Atelier übertrug er die Zeichnung auf ein anderes Blatt, indem er die Linien auf der Pause (lucido) perforierte und mit Kohlestaub betupfte. Die so gewonnene Kopie wurde in den Farben des Originals, die er sich auf dem lucido genau vermerkt hatte, ausgemalt, und so entstand ein Faksimile. Als die päpstliche Antikenkommission Kenntnis von diesen beiden Faksimile blättern erhielt, erteilte sie Ruspi den Auftrag, mit Hilfe von Pausen ein Faksimile der gesamten Gemälde der Tomba del Triclinio f#252;r die Vatikanische Bibliothek herzustellen als Dokumentation und zum Studium dieses bedeutenden Fundes. Johann Martin von Wagner sah 1833 dieses Faksimile kurz vor der Vollendung in Ruspis Werkstatt. Als Kunstbeauftragter Ludwigs I. von Bayern berichtete er begeistert seinem Monarchen und schlug vor, mit solchen Gemälden die für die Sammlung antiker Vasen bestimmten Räume der Pinakothek zu schmäcken. Der König und sein Architekt Leo von Klenze waren sogleich überzeugt, und Ruspi erhielt den Auftrag, alle in Tarquinia zugänglichen Grabmalereien (außer den hellenistischen, die damals als römisch galten) zu reproduzieren. Nachdem Ruspi 1835 in den Gräbern lucidi hergestellt hatte, wurden im folgenden Jahr die Faksimile nach München geschickt; es waren die Tombe del Barone, delle Bighe, delle Iscrizioni, del Morto, Querciola und del Triclinio. Die nach ihnen darauf in München hergestellten Deckengemälde sind wie die Faksimile selbst dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen. Doch existiert noch ein zweiter Satz von Faksimile, den der Vatikan 1839 für das neue Museo Gregoriano Etrusco bei Ruspi in Auftrag gegeben hatte. Daß die Pausen von Ruspi erhalten sind, ist ein glücklicher Zufall; denn sie waren nur ein technisches Arbeitsinstrument und hatten nach der Fertigstellung der Faksimile ihre Schuldigkeit getan. 1889, 16 Jahre nach Ruspis Tod, verkaufte sein Sohn Augusto die lucidi dieser fünf Gräber, zum Teil in mehreren Ausführungen, zum Spottpreis von 25 Iire an das nunmehr Deutsche Archäologische Institut in Rom, darunter die vollständig kolorierten Fassungen der Tomba del Triclinio und der Tomba delle Bighe. Während die Faksimile dem kühlen klassizistischen Kunstgeschmack der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts entsprechend “geschönt” sind, geben die direkt von den Wänden der Gräber abgenommenen Pausen das Original unmittelbar und getreu wieder. Für die nunmehr völlig zerstörten Originalmalereien der Tomba delle Iscrizioni sind Ruspis lucidi von einzigartigem dokumentarischem Wert. Bei noch erhaltenen Gräbern wie der Tomba delle Bighe oder der Tomba del Triclinio haben sie viele Details der Darstellung bewahrt, die im Original so verblaßt sind, daß man sie nur mit Mühe oder gar nicht mehr erkennt. Ruspi ist nicht der einzige Zeichner, dessen Kopien etruskischer Malereien das Archiv des römischen Instituts bewahrt. Eine “Entdeckungspause” von 30 Jahren in Tarquinia wurde ausgefüllt durch Funde bemalter Gräber in Chiusi und Vulci. Der später berühmte Kupferstecher Ludwig Gruner fertigte 1840 in Chiusi Bleistiftzeichnungen der Tomba del Colle an. Der Florentiner Maler Giuseppe Angelelli, 1828/29 Mitglied der großen Ägypten-Expedition von Champollion und Rosellini, malte 1846 Aquarelle nach der Chiusiner Tomba della Scimmia mit ihren Darstellungen von Sport und Spiel für die Uffizien in Florenz und das Institut in Rom, nachdem Eduard Gerhard die Gemälde gesehen und sich hierfür besonders eingesetzt hatte. 1856 wurden in Vulci durch Nicola Ortis die Malereien der Tomba François mit Szenen aus der etruskischen Geschichte kopiert. Die Zeichnungen dieser drei Küunstler bildeten die Grundlage für eine Publikation der Malereien in den “Monumenti inediti”. Auch die Kopien der Gemälde,die eine Serie neuer Entdeckungen seit 1863 in Tarquinia erbrachte, wurden vom römischen Institut stets zum Zweck der Veröffentlichung in Auftrag gegeben, zum Teil unter beträchtlichem finanziellem Aufwand. Das erste Gtab dieser neuen Serie war die Tomba del Citaredo.Von dem Fries der tanzenden und musizierenden Figuren machte Gregorio Mariani 1863 eine komplette Pause. Das Grab mit seinen künstlerisch bedeutenden Malereien der Zeit um 490 v. Chr.ist seit langem wieder verschollen. Fotografien existieren nicht; Marianis lucidi sind die einzige Dokumentation. Vollständige Sätze von Pausen lieferte Mariani auch von der Tomba degli Scudi (1873) und der Tomba dei Leopardi (1875). In verkleinerten Bleistiftzeichnungen und Aquarellen hielt er die Ausmalung der Tomba Bruschi mit ihren schon in die römische Kunst weisenden Darstellungen von Magistratsaufzügen (1864) und die der archaischen Tomba della Caccia e Pesca (1885) fest. Was die Arbeiten Marianis auszeichnet und auch einer nunmehr veränderten Haltung dem antiken Monument gegenüber entspricht, ist eine exakte, nichts schünende Wiedergabe des Originals. Ohne Versuche von Ergänzungen lieferte Mariani damit die Grundlage einer wissenschaftlichen Publikation. Schließlich sei noch der deutsche Zeichner Louis Schulz erwähnt, der 1869 die Gemäide der Tomba dell'Orco mit dem berühmten Kopf der Velia sowie auch der Tomba dei Vasi dipinti kopiert. Unmittelbar in Zusammenhang mit diesen Zeichnungen steht eine Menge schriftlicher Dokumente: Die Korrespondenz der Leiter des römischen Instituts mit ortsansässigen Kontaktpersonen - etwa mit dem Cornetaner Bärgermeister Carlo Avvolta oder dem dortigen Canonicus Domenico Sensi - enthält wichtige Informationen über die Auffindung der Gräber.Eingaben und Gesuche an die zuständigen Behörden zeigen, welche bürokratischen Hürden das Institut überwinden mußte, um die Erlaubnis zum Kopieren der Malereien zu erhalten. Von den schwierigen Arbeitsbedingungen in den unterirdischen Gräbern bei Kälte, Feuchtigkeit und Fackellicht legen Briefe der Zeichner eindrucksvoll Zeugnis ab. Als diese Zeichnungen und lucidi - bei fünf Gräbern wurden die Pausen in einer dem Original entsprechenden räumlichen Anordnung präsentiert - zusammen mit den zugehörigen Briefen und Dokumenten Ende 1985 in den Räumen des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom zu sehen waren, zeigte sich ein so lebhaftes Interesse, daß auf Anregung der Soprintendentin von Südetrurien, Paola Pelagatti, die Ausstellung von April bis Oktober 1986 in das Museum von Tarquinia verlegt wurde. Dort konnten mit Pause und Faksimile der Tomba del Triclinio auch deren Originalmalereien verglichen werden. Der große Erfolg der Ausstellung in Tarquinia war für das Institut Anlaß genug, diese frühe Dokumentation etruskischer Grabmalerei auch außerhalb Italiens zu zeigen in Köln, Frankfurt, Freiburg, Kassel, München und Amsterdam. Eine Nachbildung der Tomba del Triclinio mit den aquarellierten lucidi von Carlo Ruspi war eine der Attraktionen in der großen Ausstellung “Die Etrusker und Europa” 1992 in Paris und 1993 in Berlin. Daß nun eine repräsentative Auswahl dieser Dokumente sogar in dem von Etrurien so entfernten Japan - einem Land, das selbst Meisterwerke der Malerei und Zeichnung von Weltrang hervorgebracht hat - gezeigt wird, erfüllt das Deutsche Archäologische Institut mit Stolz. Die biederen, aber routinierten Zeichner des 19. Jahrhunderts, die ihre Pausen, Aquarelle und Zeichnungen nur als Zwischenprodukte zur Herstellung von Faksimile und Kupferstichen verstanden haben, hätten sich eine späte und so weltweite Wertschätzung dieser Blätter wohl schwerlich vorstellen konnen. Heute sind die Gräber der Nekropole von Tarquinia natürlich auch eine Attraktion für viele Touristen. Doch wie in den Eiszeithöhlen in Frankreich und Spanien oder in den ägyptischen Pyramiden trägt gerade die Menge der interessierten Besucher zur Zerstörung der Kunstwerke bei. Erhöhte Luftfeuchtigkeit und zwangsläufig eingeschleppter Umweltschmutz lassen auch die Grabbilder in Tarquinia immer schneller verblassen. Sie zu konservieren, wird zum Dauerproblem. Vielleicht ist es deshalb in Zukunft unausweichlich, die Gräber für den Massentourismus zu schließen und als Anschauungsobjekte originalgroße Rekonstruktionen mit fotografischen Faksimile der Malereien herzustellen. Heute kann die Fototechnik solche Aufgaben in voll befriedigender Weise bewältigen und man wird wohl mit der Einsicht des Publikums rechnen dürfen, daß Kunst- und Kulturdenkmäler im Original nicht mehr überall und zu jeder Zeit zugänglich bleiben können. So schließt sich ein Kreis zu den Faksimile etruskischer Gräber eines Carlo Ruspi. Unsere Vorfahren, die die Fotografie noch nicht kannten, wollten durch diese Nachbildungen Denkmäler antiker Malerei der Zukunft erhalten, weil bereits sie die Vergänglichkeit der Originale voraussahen. ■ BIBLIOGRAFIE Pittura etrusca. Disegni e documenti del XIX secolo dall'archivio dell'Istituto Archeologico Germanico. Catalogo della mostra Tarquinia 1 986 (Roma 1986) H.Blanck - C.Weber-Lehmann, Malerei der Etrusker in Zeichnungen des 19. Jahrhunderts. Katalog der Ausstellung Köln 1987 (Mainz 1987) C.Weber-Lehmann, Dokumentation und Dekoration: Die Überlieferung der etruskischen Grabmalerei in Zeichnungen und Kopien in: Die Etrusker und Europa. Katalog der Ausstellung Paris 1992 u.Berlin 1993(Milano1992) S.414 ff. |
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